Von Menschen und Bären: Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Diabetes neu betrachtetTHOUSANDS OAKS/KALIFORNIEN, 8. August (Biermann) – Glückliche Bären: Im Gegensatz zum Menschen gibt es bei Grizzlys einen von der Natur gewollten Diabetes-Zustand, der tatsächlich einen biologischen Zweck erfüllt. Und: Er ist reversibel – das heißt, er kann rückgängig gemacht werden. Diese Erkenntnis könnte auch Menschen nützen.
Amerikanische Wissenschaftler berichten in der Fachzeitschrift „Cell Metabolism“ („Zellstoffwechsel“), dass Bären im Herbst, wenn sie sich ihren Winterspeck anfressen, zwar „fettleibig“ sind, aber nicht an Diabetes leiden – ein Zusammenhang, der beim Menschen oft zutrifft.
Erst Wochen später, wenn sie sich schon im Winterschlaf befinden, erreichen die Bären einen Zustand des Diabetes – von dem sie allerdings geheilt sind, wenn sie im Frühjahr wieder aufwachen.
Wie funktioniert das? Anders als beim Menschen, so erklären die Forscher, veränderten sich die Insulinspiegel bei Bären mit der Gewichtzunahme und anschließender Abnahme nicht.
Überraschenderweise wurde auch beobachtet, dass die Tiere, wenn sie am dicksten sind, am empfindlichsten auf Insulin reagieren – und somit am wenigsten diabetisch sind. Das erreichen sie laut den Wissenschaftlern dadurch, dass sie ein Protein mit Namen PTEN in den Fettzellen einfach ausschalten.
„Das steht im Gegensatz zu der allgemeinen Annahme, dass Fettleibigkeit bei Menschen zu Diabetes führt“, erklärt der Forscher Dr. Kevin Corbit. Er und seine Kollegen fanden heraus, dass die Bären ihre Reserven während des Winterschlafs ausschließlich im Fettgewebe speichern – und nicht in der Leber oder in den Muskeln. Dort wird bei anderen fettleibigen Tieren Fett angesammelt.
Das wirft ein neues Licht auf den komplexen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Diabetes. „Unsere Forschungsergebnisse stützen ganz klar die immer mehr aufkommende Denkweise, dass Adipositas und Diabetes – im Gegensatz zu der herrschenden Vorstellung, dass sie immer Hand in Hand gehen – möglicherweise eigentlich an gegenüberliegenden Enden des Stoffwechselspektrums existieren”, sagt Corbit.
„Man muss zwar vorsichtig sein und darf aus präklinischen Ergebnissen keine Rückschlüsse auf die Versorgung einzelner Patienten ziehen – doch wie glauben, dass diese und andere Daten einen umfassenderen und möglicherweise ganzheitlichen Ansatz in der Versorgung diabetischer und adipöser Patienten stützen.“
Wie Corbit erklärt, ist der Zellmechanismus, der bei bestimmten Patienten zur Fettleibigkeit führt, möglicherweise derselbe, der sie vor Diabetes schützen könnte. Bei anderen Patienten könnte es genau andersherum sein. So haben beispielsweise Menschen mit einem geringen Spiegel des Proteins PTEN eine „Fähigkeit“, die der von Bären ähnelt: Sie reagieren extrem empfindlich auf Insulin, wenn sie dick sind.
„In der Zukunft könnte dieses detailliertere Wissen um den Zusammenhang zwischen Diabetes und Fettleibigkeit Wissenschaftler helfen, nicht nur Therapien zu entwickeln, die sich diesen Mechanismus zunutze machen – man könnte dadurch auch diejenigen Patienten identifizieren, die von solchen Therapien profitieren”, meint Corbit.
Quelle: Cell Metabolism 2014;20(2):376–382.Pressemitteilung: BD Medical - Diabetes Care
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