Längere Essenspausen können vor Diabetes schützenNicola von LutterottiWer ohne Diät abnehmen will, sollte sich an eine einfache Regel halten: Essen ist nur während zehn Stunden am Tag erlaubt. Damit lässt sich sogar das Risiko für eine Zuckerkrankheit senken.
Der beste Schutz vor einem «Alterszucker» oder Typ-2-Diabetes sind bekanntlich eine schlanke Linie und viel Bewegung. In der Weihnachtszeit haben solche Erkenntnisse freilich einen schweren Stand. Die Ergebnisse einer neuen Studie kommen daher gerade zur rechten Zeit.1 Denn wie sie nahelegen, bedarf es keiner strikten Diäten, um das Diabetesrisiko zu verringern und überflüssige Kilos loszuwerden. Auch tägliche Essenspausen von rund 14 Stunden entfalten derartige Wirkungen. Was schon bei Tieren gezeigt werden konnte, scheint somit auch für den Menschen zu gelten.
Die Teilnehmer des Pilotprojekts, insgesamt 19 Männer und Frauen mittleren Alters, wiesen alle ein metabolisches Syndrom auf. Darunter versteht man eine Kombination von – meist lebensstilbedingten – Störungen, die einem Diabetes und weiteren Krankheiten Vorschub leisten: erhöhte Blutfettwerte, ein gestörter Zuckerhaushalt, hoher Blutdruck und zu viel Bauchfett. Nach einem anfänglichen Gesundheitscheck waren alle Probanden angehalten worden, zwölf Wochen lang sämtliche Mahlzeiten des Tages innert 10 Stunden zu verzehren und jedes aufgenommene Lebensmittel, darunter auch kalorienhaltige Getränke, in einer speziellen Smartwatch-Applikation zu dokumentieren. Der Blutzuckergehalt und die Bewegungsaktivität der Versuchspersonen wurden dabei laufend mit tragbaren Kleingeräten erfasst.
Minus drei Kilogramm in zwölf Wochen Drei Monate später zogen die Autoren des Projekts, unter ihnen Pam Taub von der University of California und Satchidananda Panda vom Salk Institute in La Jolla, Kalifornien, dann Bilanz. Wie sich herausstellte, hielten sich die Probanden fast durchweg an das Ernährungsprotokoll. Hatten sich ihre Essenszeiten zuvor über mehr als 15 Stunden am Tag erstreckt, beschränkten sie sich danach auf knapp 11 Stunden, und das meist zwischen 10 Uhr morgens und 8 Uhr abends. Unabhängig von gelegentlichen Rückfällen in alte Ernährungsmuster nahmen die Versuchspersonen dabei durchschnittlich etwas mehr als drei Kilogramm ab, und ihr Bauchumfang schrumpfte um rund viereinhalb Zentimeter.
Damit einhergehend «entschärfte» sich auch ihr metabolisches Syndrom. So sank der Cholesterinwert um durchschnittlich 11 Prozent, der Blutdruck fiel um 4 bis 8 Prozent, und der Zuckerhaushalt bewegte sich in Richtung Norm. Laut eigenen Angaben konnten die Probanden darüber hinaus auch besser schlafen. So nahm der Anteil der Tage, an denen sie morgens gut ausgeruht aufwachten, von rund 70 auf knapp 90 Prozent zu. Entsprechend fühlten sie sich auch deutlich energiereicher.
Einige verfallen in frühere Essgewohnheiten Eineinhalb Jahre nach Studienende nahmen die Wissenschafter mit den Probanden erneut Kontakt auf. Dabei erfuhren sie, dass 5 der 19 Teilnehmer die 14-stündigen Essenspausen konsequent und weitere 7 sie zeitweise fortgeführt hatten. Die übrigen 7 Probanden waren nach rund vier Monaten wieder in ihre früheren Essgewohnheiten verfallen.
Laut Andreas Michalsen von der Charité in Berlin, der sich seit zwanzig Jahren mit Ernährungstherapien beschäftigt, sind verlängerte Essenspausen die bisher nachhaltigste Art, um Störungen des Zuckerstoffwechsels zu bessern und abzunehmen. «Viele meiner Patienten kommen damit sehr viel besser zurecht als mit kalorienreduzierten Diäten», sagt der Internist und Naturheilkundearzt. Unklar sei bis jetzt allerdings, worauf der günstige Effekt der Methode genau beruhe – auf der zeitlich begrenzten Nahrungsaufnahme oder auf einer verminderten Kalorienzufuhr. Wahrscheinlich spielen beide Faktoren eine Rolle. Denn wer weniger Zeit mit Essen verbringt, verzehrt meist auch weniger Nahrung.
1 Cell Metabolism, Online-Publikation vom 5. Dezember 2019. Quelle: Neue Zürcher Zeitung (NZZ)
https://www.nzz.ch