Der Weg zur PumpeWer eine Insulinpumpe möchte, braucht gute Argumente, damit die Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt
Thomas H. war fassungslos. Seit 26 Jahren benutzt der Typ-1-Diabetiker für seine Therapie eine Insulinpumpe. "Als ich 2010 eine neue Pumpe brauchte, verlangte meine Kasse plötzlich einen Beweis, dass sie mir nützt!", sagt er. Sein Insulin wieder mit einem Pen zu spritzen, kann sich Thomas H. kaum vorstellen. "Als ich das noch machte, war mein Blutzucker jeden Morgen so hoch, als hätte ich nachts eine Tüte Gummibärchen gegessen. Und bei meinem stressigen Außendienst-Job würde ich mit dem Diabetes gar nicht mehr klarkommen", ist er sicher.
Gute Werte, teure Therapie
Die Entscheidung für eine Insulinpumpe traf früher der Arzt zusammen mit seinem Patienten. Ein Gutachten genügte, und die Kasse zahlte. Doch weil die allein die Insulinpumpe zwischen 3.000 und 4.000 Euro kosten und die Pumpentherapie mindestens ein Drittel teurer ist als die vergleichbare Insulintherapie mit dem Pen, fordern die Kassen seit 2006 einen Beleg dafür, dass sich der Wechsel lohnt. Und machen dabei auch vor Diabetikern nicht Halt, die schon lange eine Pumpe haben.
Die Pumpentherapie setzt voraus, dass ein Diabetiker die "intensivierte konventionelle Insulintherapie" (ICT) beherrscht. Er muss seine Insulindosis mithilfe regelmäßiger Blutzuckerkontrollen selbstständig anpassen und dabei die Kohlenhydratmenge seiner Nahrung und Faktoren wie körperliche Bewegung zu berücksichtigen, die sich auf den Blutzucker auswirken.
Die Pumpe enthält schnell wirkendes Insulin. Es gelangt über einen Katheter ins Unterhautfettgewebe und von dort ins Blut. Rund um die Uhr gibt die Pumpe eine kleine Menge Insulin ab – wie die Bauchspeicheldrüse eines Gesunden.
Diese "Basalrate" deckt den Grundbedarf des Körpers. Zum Essen ruft der Pumpenträger zusätzliches Insulin ab. Bei der intensivierten Insulintherapie (ICT) mit Pen oder Spritze dagegen spritzt man für den Grundbedarf ein- oder zweimal am Tag ein lang wirkendes Insulin (Basalinsulin). Den Insulinbedarf zum Essen deckt ein schnell wirkendes Insulin.
Häufiger Grund: hohe Morgenwerte
Wegen der langen Wirkdauer des Basalinsulins brauchen Diabetiker, die für die ICT einen Pen benutzen, eventuell Zwischenmahlzeiten, um Unterzuckerungen zu verhindern. Andererseits reicht das abends gespritzte Basalinsulin nicht immer, um zu verhindern, dass die Blutzuckerwerte frühmorgens steigen. Dieses "Dämmerungs-Phänomen" ist ein häufiger Grund für eine Pumpentherapie. Denn die Pumpe kann so programmiert werden, dass sie in den frühen Morgenstunden mehr Insulin abgibt und so den Anstieg der Werte verhindert.
Gründe für eine Pumpe
•Trotz intensivierter Insulintherapie (ICT) stark schwankende Werte
•Hohe Zuckerwerte in den frühen Morgenstunden
•Unregelmäßiger Tagesablauf, etwa im Schichtdienst
•Häufige schwere Unterzuckerungen, besonders nachts
•Geplante oder bestehende Schwangerschaft
•Ausgeprägte Folgeschäden
•Geringer Insulinbedarf
Drei Monate dokumentieren
Das Genehmigungsverfahren ist bei allen Kassen ähnlich. Der Diabetiker muss seine Zuckerwerte der vergangenen drei Monate sorgfältig dokumentieren, dazu die jeweilige Insulindosis und Kohlenhydrat-Aufnahme. Auch Hinweise zu Sport, Krankheiten oder Alkoholkonsum gehören dazu. Außerdem muss der Arzt in einem Gutachten darlegen, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, die Blutzuckerwerte zu verbessern. "Wenn ein Diabetiker beispielsweise hohe Morgenwerte hat, tauschen wir zuerst das abendliche Verzögerungsinsulin gegen ein lang wirkendes Analoginsulin. Erst wenn die Werte auch dann erhöht bleiben, beantragen wir eine Pumpe", sagt die Diabetologin Dr. Silvia Zschau aus München.
Die Kasse leitet die Unterlagen an den Medizinischen Dienst (MDK) weiter, der sie prüft und eine Empfehlung abgibt. Ist sie positiv, genehmigt die Kasse die Pumpe zunächst für drei bis vier Monate. So lange muss der Pumpenträger weiterhin sorgfältig Buch führen. Für die endgültige Entscheidung verlangt die Kasse zudem ein erneutes Gutachten."Manchmal verzögert sich die Genehmigung, weil das Blutzucker-Tagebuch unvollständig ist", sagt der Münchener Pumpenspezialist Dr. Thorsten Siegmund. Er rät Pumpen-Anwärtern, mit dem Diabetologen zu besprechen, worauf es ankommt.
In Erklärungsnot kann man geraten, wenn sich der HbA1C-Wert in der Probezeit nicht bessert. Eventuell muss man die Pumpe wieder abgeben. Diabetologin Zschau hat das nur einmal erlebt, bei einem Patienten, der schon mit dem Pen schlechte Werte hatte und bei der Dokumentation schlampte. "Erkennt die Kasse, dass der Patient Einsatz zeigt, genehmigt sie die Pumpe meistens", weiß Siegmund.
Neue Pumpe – neuer Antrag
Die Pumpen haben eine Garantie von vier Jahren. Häufen sich nach dieser Zeit Fehlermeldungen oder werden größere Reparaturen nötig, sollte man ein neues Gerät beantragen. Und das bedeutet erneut: Werte dokumentieren, Gutachten anfordern. "Bei HbA1C-Werten über 7,5 Prozent (58 mmol/mol) trotz Pumpe kann es Probleme geben", sagt Diabetologin Zschau. Bei Thomas H. lief alles gut. "Mein HbA1C-Wert steigt selten über 6,5", sagt er. Dem nächsten Genehmigungsmarathon sieht er gelassen entgegen.
Quelle: Diabetes-Ratgeber
http://www.diabetes-ratgeber.net