Insulin: Alternativen zum Spritzen?Wird der Pen zum Auslaufmodell? Forscher fahnden nach neuen Wegen, um das Spritzen von Insulin überflüssig zu machen. Wir stellen die spannendsten Projekte vor.
Vor dem Essen schnell noch eine Insulinpille einwerfen? Oder nach der Torte zum Insulinspray greifen und den Zuckerspiegel mit einem kräftigen Atemzug wieder ins Lot bringen? Schön wär’s. Doch bislang führt für Diabetiker, die Insulin spritzen, kein Weg an dem regelmäßigen Piks in Bauch oder Bein vorbei. Und die Zahl derer, denen die Kasse eine Insulinpumpe bewilligt, ist sehr überschaubar, gemessen an der Gesamtzahl der Betroffenen. Kein Wunder, dass Forscher seit Jahren nach alternativen Wegen für die Insulingabe suchen. Ein Überblick.
Insulin als Tablette?
Das wäre eigentlich der naheliegendste Weg. Doch die Hürden auf dem Weg zur Insulinpille sind hoch: Einerseits würde das Insulin, weil es ein Eiweiß ist, von Magensaft und Verdauungsenzymen zerstört. Andererseits sind Insulinmoleküle relativ groß. Deshalb ist es schwierig, sie intakt durch die Darmwand ins Blut zu befördern. Forscher versuchen zwar, diese Probleme zu lösen und Insulintabletten zu entwickeln. Doch dass diese es in den nächsten Jahren in die Apothekenregale schaffen, halten Experten für unwahrscheinlich. So rechnet Professor Lutz Heinemann vom Profil Institut für Stoffwechselforschung in Neuss frühestens in zehn Jahren mit einem marktreifen Produkt. Zudem glaubt er, dass Insulintabletten allenfalls einen Teil der Injektionen ersetzen können. Der Grund: Ihre Wirkung werde kaum so rasch und berechenbar sein, dass sie schnell wirkende Insuline vollständig ablösen könnten.
Insulin per Pflaster?
Die Gabe von Medikamenten per Pflaster funktioniert. Starke Schmerzmittel, Hormone, aber auch durchblutungsfördernde Medikamente für Herzpatienten werden so verabreicht. Aber Insulin? Wieder bereitet die Größe der Insulinmoleküle den Forschern Kopfzerbrechen. Derzeit testet eine US-amerikanische Firma ein Insulinpflaster, das seinen Inhalt mithilfe von Ultraschall-Impulsen, die die Haut durchlässiger machen, ins Blut schleusen soll. Die Impulse müsste der Pflasterträger bei Bedarf mit einer Fernbedienung auslösen. Ob sich das Pflastersystem tatsächlich für die Diabetestherapie eignet, wird die Zukunft zeigen.
Insulin einatmen?
Eigentlich nicht neu – denn das gab es schon einmal. Doch das Insulinpulver, das in Deutschland 2006 unter dem Namen Exubera auf den Markt kam, floppte. „Das lag sicher am hohen Preis, aber auch an dem Inhalator, der aufgeklappt so groß war wie zwei Cola-Dosen. Auch die Bedienung war relativ kompliziert“, sagt Forscher Lutz Heinemann. Das könnte sich demnächst ändern. Amerikanische Forscher haben einen neuen Anlauf gemacht und einen einfachen, nur daumengroßen Inhalator entwickelt. Er soll Insulin so schnell durch die Lunge ins Blut befördern, dass sogar gespritztes Insulin nicht mithalten kann. Falls die amerikanische Gesundheitsbehörde grünes Licht gibt, könnte der Inhalator noch 2014 in den USA auf den Markt kommen.
Insulin als Mundspray?
Keine Zukunftsvision, sondern bereits erhältlich. Allerdings nur in ein paar Ländern, etwa Ecuador und Indien. Das von einer kanadischen Firma entwickelte Spray soll wirken, indem Insulin über die Mundschleimhaut ins Blut gelangt. „Vermutlich wird dabei jedoch das meiste Insulin zerstört“, sagt Lutz Heinemann. Zudem gibt es keine Beweise, dass das Mundspray bei Diabetes hilft. Das ist auch der Grund, warum es hierzulande nicht erhältlich ist.
Insulin als Nasenspray?
Auch diesem Ansatz räumt Experte Heinemann nur geringe Chancen ein. Um genug Insulin durch die empfindliche Nasenschleimhaut zu transportieren, müssten spezielle Zusatzstoffe entwickelt werden. Immerhin könnte das Nasenspray sich einen anderen Patientenkreis erobern: Es gibt nämlich Hinweise, dass insulinhaltiges Nasenspray gegen Demenz helfen könnte. Die dazu nötige Insulinmenge ist so gering, dass sie den Blutzucker kaum beeinflusst. Durch die Nase gelangt das Insulin direkt zu den Gehirnzellen, wo es den Energiestoffwechsel beeinflusst.
Insulin per Druckluft durch die Haut?
Injektionshilfen, die ohne Nadel auskommen, gibt es schon lange. Sogenannte Jet-Injektoren befördern das Insulin mit hohem Druck durch die Haut. Sie sind jedoch etwas umständlich zu handhaben und auch teurer als Pens. „Für manche Patienten ist die Insulingabe damit unangenehmer als mit dem Pen. Auch das Geräusch, das mit jeder Abgabe verbunden ist, schreckt einige Anwender ab“, so Heinemann. Vorteil des Jet-Injektors: Er verteilt das Insulin feiner im Gewebe, wodurch es schneller ins Blut gelangen soll.
Insulin aus dem „Bio-Reaktor“?
Einen neuen Ansatz verfolgen Forscher aus Dresden um Professor Stefan Bornstein. Das Prinzip: Dem Patienten wird ein Behälter unter die Haut gepflanzt, der etwa die Größe und Form einer Cremedose hat. In diesem Behälter („Bio-Reaktor“) befinden sich Zellen, die Insulin herstellen. Gewonnen werden diese Zellen zum Beispiel aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen. Durch eine Membran gelangt das Insulin aus dem Bio-Reaktor in die Blutbahn des Patienten. Die Membran schützt die Zellen gleichzeitig vor dem körpereigenen Abwehrsystem, das sie normalerweise attackieren würde. Daher müssten Diabetiker, denen ein solcher „Bio-Reaktor“ eingesetzt wurde, auch keine Medikamente nehmen, die das Abwehrsystem unterdrücken. Studien müssen jetzt zeigen, ob sich der „Bio-Reaktor“ bei Diabetes bewährt.
Quelle: Diabetes Ratgeber
http://www.diabetes-ratgeber.net