Diabetes: Zuckersenker schützt vor DemenzDiabetiker erkranken häufiger an Demenz als Menschen mit gesundem Zuckerstoffwechsel. Doch das gilt nicht für Patienten, die den Blutzuckersenker Pioglitazon einnehmen. Sie bleiben sogar mit größerer Wahrscheinlichkeit geistig fit als Gesunde.
Auf diesen Zusammenhang stießen Bonner Forscher vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), als sie die Krankenkassendaten von mehr als 145.000 Männern und Frauen über 60 auswerteten.
„Bemerkenswerter Nebeneffekt“
„Die Behandlung mit Pioglitazon zeigte einen bemerkenswerten positiven Nebeneffekt. Sie konnte das Risiko einer Demenz wesentlich verringern", sagt die Demografin Gabriele Doblhammer, eine der der beteiligten Wissenschaftler. „Je länger die Behandlung, umso geringer das Risiko.“ Am deutlichsten sank es, wenn der Wirkstoff mindestens zwei Jahre verabreicht wurde. Für entsprechend behandelte Patienten lag das Erkrankungsrisiko um 47 Prozent niedriger als für Nicht-Diabetiker – es war nur halb so hoch. Auch wer das ebenfalls häufig verschriebene Diabetesmedikament Metformin einnahm, wurde mit geringerer Wahrscheinlichkeit dement. Der Schutzeffekt war allerdings deutlich kleiner als der von Pioglitazon.
Ein dicker Wermutstropfen ist indes, dass Pioglitazon andererseits das Risiko für Blasenkrebs erhöht. Aus dem Grund wurde es in den letzten Jahren nur selten verschrieben und nicht mehr von den gesetzlichen Kassen gezahlt.
Zucker nagt an den Gefäßen
Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes reagieren die Körperzellen zunehmend schlechter auf Insulin. Pioglitazon verbessert die Wirkung des körpereigenen Hormons wieder. Es ist vor allem für Patienten geeignet, bei denen die überforderte Bauchspeicheldrüse die Insulinproduktion noch nicht weitgehend eingestellt hat.
Laboruntersuchungen haben schon länger vermuten lassen, dass Pioglitazon außerdem die Nervenzellen schützt. „Pioglitazon ist entzündungshemmend und reduziert die Ablagerung schädigender Eiweiße im Gehirn“, erklärt Neurowissenschaftler Michael Heneka, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Offenbar wirkt das Medikament vorbeugend gegen Demenz, also lange bevor die ersten Symptome auftauchen.
Ob ein solcher Effekt auch bei Nicht-Diabetikern auftreten würde, ist unterdessen noch offen. Dazu wären weiter Untersuchungen notwendig.
Doppeltes Alzheimerrisiko
Menschen mit Diabetes vom Typ 2 tragen ein 1,5- bis 2-mal so hohes Alzheimerrisiko wie Menschen mit gesundem Zuckerstoffwechsel. Und sie erkranken bis zu viermal so häufig an der zweithäufigsten Demenzform, der vaskulären Demenz, bei der das Hirn nicht ausreichend mit Blut versorgt wird.
Eine Erklärung für dieses Phänomen sind die dauerhaft hohen Zuckerwerte im Blut. Sie schädigen die Blutgefäße - auch die im Gehirn. Unabhängig davon, erhöhen auch die häufigen Begleiterkrankungen von Typ-2-Diabetes wie Bluthochdruck, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen und Depressionen das Demenzrisiko.
Die Kombination von Demenz und Diabetes ist heikel. Denn wer geistig nicht mehr voll auf der Höhe ist, ist auch nicht mehr in der Lage, Medikamente und Ernährung aufeinander abzustimmen. Dann drohen schwere, mitunter lebensbedrohliche Unterzuckerungen. (cf)
Quelle: Michael T. Heneka et al.: Effect of pioglitazone medication on the incidence of dementia
Annals of Neurology 2015, doi: 10.1002/ana.24439 Pressemitteilung: NetDoktor.de
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