Diagnose Diabetes über dreißig? Auch an Typ-1 denken!Auch bei Menschen, die jenseits eines Alters von dreißig Jahren Diabetes entwickeln, sollte Typ-1-Diabetes in Betracht gezogen werden. Im Vergleich zu Diabetes vom Typ-2 geht er mit einem erhöhten Risiko für schnelleres Fortschreiten, früheren Insulinbedarf und Ketoazidosen einher. In einer englischen Studie waren vier von zehn Menschen mit Typ-1-Diabetes bei der Diagnose älter als 30 Jahre. Die Ergebnisse wurden im „Lancet Diabetes & Endocrinology“ veröffentlicht.
Tritt Diabetes bei Kindern und jungen Erwachsenen unter 20 Jahren auf, ist die Diagnose meist einfach zu treffen. Bei mehr als 85 Prozent der Fälle in dieser Altersklasse handelt es sich um die Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes. Bei Menschen im mittleren Lebensalter ist es schon schwieriger, zwischen den beiden häufigsten Diabetestypen Typ-1 und Typ-2 zu unterscheiden. In ca. der Hälfte der Fälle, in denen Typ-1-Diabetes festgestellt wird, zeigt sich auf lange Sicht, dass es sich doch um den wesentlich häufigeren Typ-2-Diabetes handelt. Noch häufiger kommt es jedoch zum umgekehrten Fall: aufgrund des Alters wird anfangs Typ-2-Diabetes diagnostiziert, der sich dann aufgrund ungewöhnlich schneller Verschlechterung doch als Typ-1-Diabetes entpuppt.
Nur wenige Studien haben sich bisher mit der Häufigkeit des Auftretens von Typ-1-Diabetes im mittleren Lebensalter zwischen 30 und 60 Jahren beschäftigt. Ein englisches Forscherteam wollte diese Lücke schließen, indem sie einen Risiko-Score entwickelten, der Aussagen über die genetische Veranlagung für Typ-1-Diabetes macht. Für die Studie wurden Biobank-Daten aus dem Vereinigten Königreich von knapp 380.000 hellhäutigen Europäern im Alter bis zu 60 Jahre herangezogen. Entsprechend ihres genetischen Risikos für Typ-1-Diabetes wurden die Probanden in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt – eine Gruppe mit hohem Risiko und eine mit niedrigem Risiko.
Die Ergebnisse im Einzelnen: Über alle Altersgruppen hinweg sind insgesamt 13.250 Probanden an Diabetes erkrankt.
Bei 42 Prozent der Erkrankten mit einem genetischen Risiko für Typ-1-Diabetes hatte sich dieser erst in einem Alter von über 30 Jahren ausgebildet.
Insgesamt waren 12.233 Betroffene bei der Diabetes-Diagnose bereits älter als 30 Jahre. Der Anteil der aufgrund ihres genetischen Risikos als Typ-1-Diabetiker definierten Personen jenseits der 30 betrug vier Prozent; 96 Prozent entwickelten Typ-2-Diabetes.
Die aufgrund ihres genetischen Risikos definierten Personen mit Typ-1-Diabetes entsprachen auch klinisch dem Bild dieser Diabetesform: Ihr Body Mass Index (BMI) lag mit durchschnittlich 27 kg/m2 niedriger als der durchschnittliche BMI der Typ-2-Diabetiker (32 kg/m2).
89 Prozent mussten bereits im ersten Jahr nach der Diagnose Insulin spritzen; in der Gruppe der Betroffenen mit Typ-2-Diabetes waren dies nur sechs Prozent.
11 Prozent mussten aufgrund einer Ketoazidose stationär behandelt werden (im Vergleich: nur 0,3 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes)
Typ-1-Diabetes: Nicht nur eine Kinder- und Jugendkrankheit Typ-1-Diabetes dürfe nicht als Krankheit gesehen werden, die nur bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt. Typ-1-Diabetes, der im mittleren Erwachsenenalter auftritt, sei nicht ungefährlicher oder milder im Verlauf als bei jungen Menschen, so die Autoren zusammenfassend über die klinische Bedeutung der Studie. Die Diagnose Typ-1-Diabetes müsse immer in Betracht gezogen werden, wenn bei neu erkannten Diabetespatienten die Blutzuckerkontrolle schwierig bleibe, besonders bei schlanken Patienten. Mit dem genetischen Risiko-Score stehe eine weitere Methode zur Abgrenzung der Diabetestypen zur Verfügung, ergänzend zur Messung von Biomarkern wie C-Peptid oder Insel-Autoantikörpern.
Quellen:
Thomas, J.N. et al.: Frequency and phenotype of type 1 diabetes in the first six decades of life: a cross-sectional, genetically stratified survival analysis from UK Biobank. In: Lancet Diabetes Endocrinol, 2018, 6:122-29
Ärztezeitung online: Viele Typ-1-Diabetiker erkranken erst im Alter über 30. Pressemeldung vom 19.02.2018 (letzter Abruf: 23.02.2018) Pressemitteilung: Diabetesinformationsdienst München
https://www.diabetesinformationsdienst-muenchen.de