CGM-Sensoren: Was die kontinuierliche Zuckermessung leistetDie kontinuierliche Glukosemessung (CGM) enthüllt unerkannte Blutzuckerspitzen und Hypoglykämien. Für wen die Sensoren sich eignen und wo die Grenzen dieser Technik liegen
Stellen Sie sich vor, Sie würden während eines Fußballspiels ein paar Fotos von den Akteuren auf dem Rasen schießen. Könnten Sie anhand der Bilder den Spielverlauf rekonstruieren? Sicher nicht. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Blutzuckerkontrolle. „Die Messwerte, die Patienten über den Tag verteilt ermitteln, liefern ebenfalls nur Momentaufnahmen“, sagt Dr. Andreas Liebl, Chefarzt am Zentrum für Diabetes- und Stoffwechselerkrankungen, Bad Heilbrunn. „Wie hoch oder niedrig der Blutzucker in der restlichen Zeit ist, ob nach dem Essen Spitzenwerte erreicht werden oder nachts Hypoglykämien auftreten, bleibt im Verborgenen.“
Kontinuierliche Glukosemessung: Sensor im Unterhautfettgewebe
Diese diagnostische Lücke lässt sich mit Hilfe moderner Technologien schließen. CGM (englisch für continuous glucose monitoring, kontinuierliche Glukosemessung) heißt das Verfahren, mit dem Diabetiker den Verlauf der Blutzuckerwerte nahezu lückenlos dokumentieren können. Die verfügbaren Systeme bestehen im Wesentlichen aus drei Komponenten:
•dem Messfühler (Sensor), der mit Hilfe einer Einführhilfe am Bauch oder im Oberarm ins Unterhautfettgewebe gelegt wird und in der Gewebeflüssigkeit fortwährend die Zuckerkonzentration misst.
•dem etwa münzgroßen Sender (Transmitter), der mit dem Sensor verbunden auf der Haut getragen wird, und die Messwerte an ein Empfangsgerät funkt.
•dem Empfänger (Receiver), der separat von den anderen Komponenten getragen wird. Er zeigt je nach Hersteller etwa alle fünf Minuten den Durchschnittswert der vorangegangenen Messwerte an.
Einsatz bei Typ-1-Diabetes
„Dank der kontinuierlichen Messungen enthüllen CGM-Systeme Stoffwechselentgleisungen und lassen erkennen, ob Zuckerkonzentrationen über einen längeren Zeitraum stabil sind, steigen oder fallen“, sagt Liebl. Je nach Einsatzzweck unterscheiden Diabetologen zwei verschiedene Systeme. Bei den so genannten verblindeten Systemen kann allein der Arzt die Daten auslesen und auswerten. „Wir nutzen die Geräte kurzzeitig, um die Stoffwechseleinstellung zu überprüfen, etwaige Fehler aufzudecken und die Therapie gegebenenfalls zu ändern“, so Liebl.
Die offenen Systeme werden dagegen dauerhaft getragen und ermöglichen eine Therapiesteuerung durch den Patienten. „Er sieht die jeweils aktuellen Werte sowie eine Prognose des weiteren Verlaufs und wird vor Über- oder Unterzuckerungen durch einen Alarm gewarnt“, erklärt Liebl. „Diabetiker haben so die Möglichkeit, vorausschauend in ihre Stoffwechselkontrolle einzugreifen.“
Experten der Deutschen Diabetes Gesellschaft halten den Einsatz bei Typ-1-Diabetikern für sinnvoll, wenn diese
•häufig schwere oder schwere nächtliche Unterzuckerungen haben, oder wenn sie Unterzucker nicht wahrnehmen können.
•ihren Blutzucker auch bei Anwendung aller möglichen Therapieformen nicht ausreichend kontrollieren können.
•während einer Schwangerschaft ihren Blutzuckerstoffwechsel nicht unter Kontrolle haben.
•täglich mehr als 10 Blutzuckerkontrollen benötigen, um den Stoffwechsel zu kontrollieren.
Allerdings gibt es auch Situationen, die gegen einen Einsatz sprechen. Das ist Liebl zufolge der Fall, wenn Patienten nicht bereit sind, sich mit dem Gerät und der oft aufwändigen Therapieanpassung auseinanderzusetzen, wenn sie alkohol- oder drogenabhängig sind oder schwerwiegende psychische Probleme haben. „Man muss dann annehmen, dass sie von den Geräten nicht profitieren.“
Vorteile von CGM: Bessere HbA1c-Werte, weniger Stoffwechselentgleisungen
Tatsächlich ist es nicht damit getan, sich einfach den Sensor einzustechen, die Geräte wollen auch richtig bedient und die Daten interpretiert werden. Auch selbstständige Blutzuckermessungen bleiben einem mit CGM-Sensor nicht erspart. „So müssen die Systemanzeigen beispielsweise zweimal am Tag mit Messwerten aus dem Blut abgeglichen und die Geräte entsprechend geeicht werden“, erläutert Liebl.
Darüber hinaus müssen Patienten wissen, dass Schwankungen der Blutzuckerkonzentrationen erst mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa 20 Minuten in der Gewebeflüssigkeit ankommen. „Dadurch misst der Sensor beim Anstieg des Blutzuckers einen zu niedrigen Wert und beim Abfall einen zu hohen“, so Liebl. „Lediglich bei annähernd stabilen Werten, ist der Unterschied minimal, und nur dann ist es sinnvoll, die Eichung vorzunehmen.“
Beim Sport oder beim Essen, wenn der Blutzuckerspiegel sich schnell verändert, sollten CGM-Nutzer wegen der zeitlichen Verzögerung besser selbst nachmessen, bevor sie mit Kohlenhydraten oder Insulin auf die veränderten Werte reagieren.
Umgang mit CGM-Sensoren in Schulungen lernen
Und schließlich benötigen die Patienten auch Anweisungen, wie sie mit Hilfe der Daten die Therapie anpassen können. Die künftigen Nutzer durchlaufen daher zunächst einmal eine spezielle Schulung. Wer die CGM-Systeme dann zu bedienen weiß, kann seine Stoffwechseleinstellung optimieren. „Unterzuckerungen und Blutzuckerspitzen lassen sich durch die Trendanalysen bestmöglich vermeiden, und die HbA1c-Werte verbessern sich oft deutlich“, erläutert Liebl. Darüber hinaus steige auch die Lebensqualität. „Ohne nächtliche Hypoglykämien sind die Patienten tagsüber konzentrierter und leistungsfähiger, und sie haben auch weniger Angst.“
Krankenkassen übernehmen selten die Kosten von CGM-Systemen
Allerdings kommen bislang nur wenige Patienten in den Genuss eines CGM-Gerätes. „Die Krankenkassen erstatten die Kosten zurzeit nur in Einzelfällen“, bedauert Liebl. Und das wird seiner Einschätzung nach auch erst einmal so bleiben. „Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) hat eben erst mit einer Nutzenbewertung des Verfahrens begonnen“, sagt Liebl. „Bis die Ergebnisse umgesetzt werden, kann es vielleicht noch Jahre dauern.“ Einstweilen werden viele Patienten weiter mit ihrer diagnostischen Lücke zurechtkommen müssen
Quelle: Diabetes-Ratgeber
http://www.diabetes-ratgeber.net