Kontinuierliches Glukosemonitoring: Diagnostik und Einfluss auf die Diabetestherapie
Grundlegende Entwicklung
Das kontinuierliche Glukosemonitoring (CGM) wird häufig als die alleinige Weiterentwicklung der Blutzuckerselbstkontrolle angesehen. Anfänglich verlief die Entwicklung auch tatsächlich parallel mit den Bemühungen um die nicht-invasive Glukosemessung. Allerdings bietet CGM deutlich mehr als die punktuelle Blutzuckermessung, selbst wenn diese „unblutig“ erfolgen könnte. CGM ermöglicht den umfassenden Blick auf den Glukoseverlauf, weil statt 4 bis 6 Messungen am Tag die Glukosemessungen je nach System im Abstand von Sekunden bis Minuten erfolgen.
Es ist verständlich, dass damit völlig neue Einblicke in die glykämische Regulation verbunden sind. Von den verschiedenen Ansätzen zum kontinuierlichen Glukosemonitoring über
- nicht-invasive Verfahren, - implantierte Sensoren in das vaskuläre System oder das Unterhautfettgewebe, - minimal-invasive Sensoren, durch die Patienten selbständig in das Unterhautfettgewebe insertiert, - die Gewinnung von interstitieller Flüssigkeit aus dem Gewebe durch Verbindung mit der Mikrodialyse
haben sich bisher vor allem die minimal-invasiven Nadelsensoren durchsetzen können. Im Prinzip wird dabei eine Enzymelektrode im Unterhautfettgewebe platziert, mit deren Hilfe, ähnlich wie bei der Blutzuckerselbstkontrolle, die Glukosekonzentration bestimmt wird. Mit dem CGMS®Gold, dem Guardian®REAL-Time (beide Medtronic), dem DexCom STSTM von DexCom sowie dem FreeStyle® Navigator von Abbott sind vier dieser Systeme auf dem Markt. Dazu zu rechnen ist noch das Insulinpumpensystem Paradigm®REAL-Time, welches in Verbindung mit dem auf der Technologie des Guardian®REAL-Time basierenden Sensor benutzt werden kann Das Mikrodialyse-system GlucoDay® von Menarini und der nicht mehr produzierte GlucoWatch®G2TM Biographer (transdermale Glukosegewinnung durch Elektrophorese und anschließende enzymatische Messung) der früheren Firma Cygnus (später übernommen von der Firma Animas, welche jetzt zu Johnson&Johnson gehört) vervollständigen die Palette an CGM-Geräten.
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Eine wichtige Besonderheit ist, dass die Nadelsensoren im Interstitium messen, wodurch die unmittelbare Vergleichbarkeit mit der Blutzuckermessung nur im Falle stabiler Glukosespiegel gegeben ist. In diesem Fall wird eine Genauigkeit erreicht, welche in den für Blutzuckermessgeräte zulässigen Toleranzen liegt (also unter 16% Abweichung). Im Falle eines Glukoseanstiegs oder - Abfalls kommt es zu einer zeitlichen Verschiebung von 10 bis 25 Minuten zwischen den Messwerten im Blut und im Interstitium (1-3).
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Folglich ist in diesem Zusammenhang die Frage nach der Übereinstimmung der Messergebnisse nur wenig sinnvoll, es sei denn die zeitliche Verschiebung wird berücksichtigt. Diese ist jedoch nicht nur individuell unterschiedlich sondern hängt auch noch von der Übereinstimmung von Glukoseresorption und Insulinwirkung ab. Unabhängig von diesen physiologischen und methodenbedingten Abweichungen toleriert das kontinuierliche Glukosemonitoring aufgrund der zusätzlichen Informationen über die Glukosedynamik höhere Grenzen für Glukosemessfehler als die punktuelle Blutzuckerselbstkontrolle (4). In Bezug auf die Genauigkeit ist damit für das Glukose-monitoring eine andere Beurteilung notwendig als für die punktuelle Blutzuckermessung. Diese Standards sind noch zu entwickeln und müssen sich stärker auf den sichtbar werdenden Glukosetrend beziehen
Verfügbare Methoden von CGM
Gegenwärtig kommen zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze für das kontinuierliche Glukosemonitoring zum Einsatz. Das CGMS®-Gold liefert nur retrospektive Daten über einen Zeitraum von 72 Stunden. Ähnlich wie beim Blutdruckmonitoring oder beim Langzeit-EKG stehen die Daten erst nach Abschluss der Messung zur Verfügung. Dieses „verblindete“ Glukosemonitoring ist als diagnostisches Hilfsmittel wertvoll, weil deren Daten nicht unmittelbar durch den Patienten beeinflusst werden. Es liefert ein unverfälschtes Bild über eine bestehende therapeutische Option.
Anders verhält es sich mit den Glukosesensoren Guardian®REAL-Time oder DexCom STSTM (noch nicht in Europa verfügbar). Bei diesen erfolgt die Auswertung der Messwerte zeitnah und sie werden im Abstand von 5 Minuten als aktuelle Glukosewerte auf dem Display dargestellt.
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Dieses „offene“ Monitoringsystem kann ein Patient unter Alltagsbedienungen anwenden. Damit wird direkt sichtbar, ob beispielsweise:
• die Gefahr einer Hypoglykämie besteht, • zu hohe glykämische Spitzen, insbesondere nach Mahlzeiten auftreten, • die Anpassung des Insulins zur Mahlzeit richtig erfolgte, • auf erhöhte körperliche Aktivität mit der Aufnahme zusätzlicher Kohlenhydrate reagiert werden muss.
Zusätzlich wird durch Pfeile auf dem Monitor angezeigt, ob und wie sich die Glukosekonzentration tendenziell verändert. Gekoppelt sind diese Angaben mit wahlweise zuschaltbaren Alarmen, so dass der Anwender darauf auch aufmerksam gemacht werden kann, zum Beispiel während des Schlafes.
Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass ein Patient rechtzeitig reagieren kann, insbesondere auf eine sich entwickelnde Hypoglykämie mit der Aufnahme von Kohlenhydraten. Das in der DCCT nachgewiesene Problem, dass sich mit niedrigeren HbA1c-Werten das Risiko für Hypoglykämien erhöht (und häufig eine normnahe Diabeteseinstellung verhindert), kann damit erstmals gelöst werden (6) und konnte in verschiedenen experimentellen Untersuchungen belegt werden (7 - 9).
Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Andreas Thomas
Teil II folgt:
Dr. Thomas ist promovierter und habilitierter Physiker. Nach seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der TU Dresden (Sektion Physik) bekleidete er verschiedene Funktionen bei Hoechst, Disetronic und Diareal. Seit 2006 ist er Scientific Manager bei Medtronic GmbH.
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