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BeitragVerfasst: So 17. Nov 2013, 11:18 
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Registriert: Sa 16. Nov 2013, 19:00
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Einige Aspekte der modernen Diabetesbehandlung

Zusammenfassung

Durch randomisierte, kontrollierte Studien wie die DCCT oder UKPDS ist belegt, dass der die durchschnittliche Glukose-konzentration repräsentierende HbA1c-Wert die Güte der Glukosestoffwechseleinstellung in Hinsicht auf die Diabetesprognose einerseits gut beschreibt, andererseits aber in seiner Aussage begrenzt ist. Insbesondere reflektiert er keine Glukosexkursionen und bietet dadurch auch keine Aussage zum Hypoglykämierisiko. Verschiedene experimentelle Untersuchungen legen aber den Schluss nahe, dass Glukoseexkursionen einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung von vaskulären Schäden haben, so dass deren Vermeidung bis zum Beweis des Gegenteils als notwendig anzusehen ist. Durch die Verfügbarkeit des konti-nuierlichen Glukosemonitorings (CGM) können Glukoseschwnkungen seit einigen Jahren lückenlos aufgezeichnet und folglich bei der Therapieoptimierung berücksichtigt werden. Um aus den CGM-Profilen unmittelbar Schlussfolgerungen für die Diabetes-prognose ziehen zu können wurde das “Glukosepentagon“-Modell entwickelt, für welches allerdings noch keine klinische wurde das “Glukosepentagon“-Modell entwickelt, für welches allerdings noch keine klinische glykämischen Variabilität. Therapeutisch gibt es eine Reihe von Optionen für die Minimierung der glykämischen Variabilität, die abschließend zusammengefasst sind


Die an dieser Stelle vorgesehene Grafik, kann aus technischen Gründen leider nicht veröffentlicht werden


Grenzen des HbA1c-Wert bei der Beurteilung des Behandlungserfolges

Der Diabetes mellitus ist aus epidemiologischer Betrachtung eines der größten Herausforderungen für das Gesundheitssystem. Derzeit werden in Deutschland mehr als 7 Millionen Diabetespatienten behandelt, davon ca. 300.000 Patienten mit Typ 1 Dia-betes (1). Auch aus ökonomischer Sicht ist diese Entwicklung dramatisch, verursachen doch Patienten mit Diabetes etwa die doppelten Kosten wie Menschen ohne Diabetes (2). Dabei ist ein großer Teil für die Therapie diabetischer Folgeerkrankungen auszugeben. So kostet die Behandlung eines Patienten mit Typ-2-Diabetes und mit mikro– und makrovaskulären Komplikationen etwa das 4,1-fache eines durchschnittlichen Versicherten ohne Diabetes (3).

Aus der Sicht der Ärzte ist deshalb neben dem primären ethischen Interesse der Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Wohl-befinden und Lebensqualität ihrer Patienten die Diabetesprognose von entscheidender Bedeutung. Im Fokus des Behandlungs-teams steht deshalb auch die Vermeidung von diabetischen Folgeerkrankungen. Dieses Anliegen wird unterstützt durch die Ergebnisse randomisierter, kontrollierter Studien wie der DCCT/EDIC bei Typ-1-Diabetes oder der UKPDS bei Typ-2-Diabetes und des dabei gezeigten Zusammenhanges zwischen der Glykierung von Proteinen, charakterisiert durch den HbA1c-Wert und der Entwicklung von diabetischen Folgeerkrankungen (4 - 6). Der bewährte und gut validierte HbA1c-Wert beschreibt hervor-ragend die durchschnittliche Glukosekonzentration über einen Zeitraum von 2 bis 3 Monaten (7). Er vermittelt somit den Zusam-menhang von chronischer Hyperglykämie und diabetes-spezifischen Mikroangiopathien und deren Folgen vorwiegend an Augen, Nieren und Nervensystem sowie diabetesassoziierten Makroangiopathie mit Folgen vorwiegend an Herz, Gehirn und den peri-pheren Arterien(8). Diese Aussage trägt dem pathophysiologischen Prozess der Hyperglykämie als einen wesentlichen Risikofaktor der Arteriosklerose Rechnung (9).

Allerdings ist der Glukoseverlauf damit bei weitem noch nicht vollständig beschrieben, so wie die Durchschnittsgeschwindigkeit
eines Autos noch lange nicht die gesamte Fahrt charakterisiert. Glukosefluktuationen, einschließlich der Hypoglykämien werden vom HbA1c nicht erfasst. So kann dem gleichen HbA1c-Wert ein vollkommen unterschiedlicher Glukoseverlauf zugrunde liegen. Abb. 1 zeigt dazu ein Beispiel. Der HbA1c gibt somit nur unvollständig Informationen über die Qualität der Glukosehomöostase (nämlich nur über deren Durchschnittswert). Insbesondere erlaubt er keine Aussage zum Hypoglykämierisiko und zu vaso-toxischen Peaks, weil in den ersten 6 Stunden nach seiner Formierung das glykierte Hämoglobin nur in seiner labilen Aldemin-form vorliegt und erst danach in die stabile Ketoaminform übergeht, die beim HbA1c gemessen wird (10). Es stellt sich also die Frage, ob die Messung dieses Wertes hinreichend für die Beurteilung der Langzeitprognose des Diabetes ist.

Glukoseexkursionen

Eine weitere wichtige Frage ist, ob Glukoseexkursionen überhaupt einen Einfluss auf die Prognose des Krankheitsverlaufs haben. Diese Frage stellte sich bereits in der DCCT. Einerseits ergab sich in der Gruppe der intensiviert behandelten Patienten mit Typ-1-Diabetes mit einem Durchschnitts-HbA1c von 7,0% eine deutlich höhere Rate an diabetischen Folgeerkrankungen im betrachteten Zeitverlauf von 9 Jahren (5-fach bei der Retinopathie) als in der konventionell behandelten Gruppe mit einem HbA1c von durch-schnittlich 9% (4). Anderseits zeigte die Detailanalyse von Subgruppen, die unter der konventionellen bzw. der intensivierter Insulintherapie den gleichen HbA1c-Wert erreichten, dass die Rate bei der Entwicklung von diabetischen Folgeerkrankungen unterschiedlich war. Demnach betrug bei gleichem HbA1c das Risiko bei intensivierter Insulintherapie nur 30 - 40% des Risikos der mit konventioneller Insulintherapie be-handelten Gruppe (11). Leider muss in diesem Fall über die Ursachen spekuliert wer-den, da nur punktuelle Blutzuckermessungen und die HbA1c-Werte vorliegen. Sehr wahrscheinlich sind aber Glukoseschwank-ungen dafür verantwortlich zu machen.

Als Schlussfolgerung ist aber bereits aus der DCCT zu ziehen: „ein schlechter HbA1c korreliert mit diabetischen Folge-erkrankungen, aber ein guter HbA1c gibt keine Garantie für eine gute Langzeitprognose“. Die Bedeutung von Glukoseexkursionen zeigt sich einerseits in dem Zusammenhang von postprandialer Hyperglykämie und kardiovaskulären Erkrankungen. Dies wurde bereits in den 90iger Jahren in verschiedenen Studien, wie der DECODE-Studie (12, 13) oder der Diabetes Intervention Studie (14) beschrieben. Die Assoziation von unphysiologisch überhöhten postprandialen Glukoseexkursionen mit mikrovaskulären Komplikationen zeigte bei Patienten mit Typ-2-Diabetes die ebenfalls aus dieser Zeit stammende Kumamoto-Studie (15, 16).

Verschiedene experimentelle Untersuchungen stützen den Zusammenhang von Glukoseexkursionen und vaskulären Schäden. Bei in-vitro Untersuchungen an humanen Endothelzellen der Umbilikalvene ließ sich nachweisen, dass die Apoptoserate dieser Zellen und der oxidativer Stress als wesentlicher Faktor bei der Gefäßschädigung besonders hoch waren, wenn diese alternierend schwankenden Glukosespiegeln ausgesetzt waren (17, 18). Zu-nächst wurden dafür die Basiswerte bei einer Glukosekonzentration von 90 mg/dl (5,0 mmol/l) bestimmt. Anschließend erfolgte die Erhöhung der Glukosekonzentration auf permanent 360 mg/dl (20 mmol/l). Dabei wurde eine Erhöhung des oxidativen Stresses um 5% gemessen. Schließlich wurde der Glukosespiegel alternierend jeden Tag von 90 mg/dl auf 360 mg/dl verändert, um schwankende Glukosespiegel zu simulieren.

Im Mittel ergab sich unter diesem von Tag zu Tag geänderten Glukosespiegel eine mittlere Glukosekonzentration von 225 mg/dl (12,5 mmol/l). Der oxidative Stress erhöhte sich unter diesen Bedingungen jedoch auf 58%, lag also um das 11,6-fache über dem erreichten Wert bei permanent erhöhter Glykämie von 360 mg/dl. Das ist ein klarer Hinweis auf die Bedeutung der glykämischen Variabilität, denn aus der Sicht auf den mittleren Glukosewert, der auch durch den HbA1c repräsentiert wird, müsste sich bei 360 mg/dl ein höheres Risiko für Gefäßschäden ergeben, als bei 225 mg/dl.

Dieser experimentell gefundene Zusammenhang zwischen glykämischer Variabilität und oxidativem Stress wurde durch klinische Untersuchungen belegt (19). Bei nicht mit Insulin behandelten Patienten mit Typ-2-Diabetes wurde die MAGE (Mean average glucose excursions) aus kontinuierlichen Glukosemessungen bestimmt, die ein Maß für die Glukoseexkursionen darstellt. Weiterhin wurde der oxidative Stress anhand der 8-Iso-Prostaglandin-2- Urinexkretionsrate gemessen. Dabei zeigte sich ein linearer Zusammenhang zwischen diesem oxidativen Stressmarker und der MAGE mit einer hohen Korrelation von r = 0,863 (p < 0,05). Im Gegensatz dazu gab es gar keine Korrelation zwischen dem oxidativem Stressmarker und dem HbA1c-Wert (r = 0,06). Es ist davon auszugehen, dass nicht nur die permanente Hyperglykämie sondern auch unphysiologisch hohe postprandiale Glukosekursionen bei Patienten mit Typ-2- Dia-betes im Mittelpunkt einer Kaskade von diabetogenen und atherogenen Ereignissen, wie erhöhter Insulinresistenz, postprandialer Dysli-pidämie, erhöhtem oxidativen Stress, Verschiebung des Gleichgewichts in der Gerinnungskaskade, endothelialer Dysfunktion usw. stehen (19-21). Die experimentellen Belege sprechen sogar dafür, dass der negative Einfluss der Glukoseexkursionen sogar noch höher zu bewerten ist als eine permanente Hyperglykämie. Dies scheint auch für Patienten mit Typ-1-Diabetes relevant zu sein (22-25). Wie eine prospektive finnische Untersuchung über 18 Jahre zeigte gibt es in Bezug auf die kardiovaskuläre und Gesamtmortalität keine wesentlichen Unterschiede zwischen Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes (26). Die experimentellen und klinischen Fakten werden schließlich auch durch Hinweise aus der Intensivmedizin gestützt. Eine Untersuchung an 7.049 Patienten auf der Intensivstation zeigte, dass unabhängig vom mittleren Glukosewert die Standardabweichung ein wesentlicher Prädiktor für die Mortalität war, sowohl auf der Intensivstation, als auch während der weiteren Hospitalisierung im normalen internistischen Stationbereich (27).


Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Andreas Thomas

Teil II folgt:

Dr. Thomas ist promovierter und habilitierter Physiker. Nach seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der TU Dresden (Sektion Physik) bekleidete er verschiedene Funktionen bei Hoechst, Disetronic und Diareal. Seit 2006 ist er Scientific Manager bei Medtronic GmbH.


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