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BeitragVerfasst: So 17. Nov 2013, 11:20 
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Kontinuierliches Glukosemonitoring: Diagnostik und Einfluss auf die Diabetestherapie

Teil II

Bedeutung des kontinuierlichen Glukosemonitorings für die Diabetologie

Zweifelsohne müssen Patienten und Therapeuten noch eine Menge Erfahrungen sammeln im Umgang mit dieser noch recht jungen diagnostischen Methode, die einen starken Einfluss auf die Therapie haben kann. Die Möglichkeiten der neuen therapeutischen Optionen, der Sensorunterstützten Therapie (SuT) und speziell der Sensorunterstützten Pumpentherapie (SuP) sind bei weitem noch nicht vollständig erfasst. Erstmals besteht die Möglichkeit der umfassenden glykämischen Kontrolle. Die Tatsache, dass verschiedene Arbeiten mit CGM übereinstimmend zeigten, dass die maximale Glukoseauslenkung nach einer Mahlzeit unabhängig vom Diabetestyp
bei ca. 70 Minuten liegt (womit der 2 Stunden Wert nach einem oralen Glukosetoleranztest nur in seltenen Fällen die tatsächliche Glukoseamplitude zeigt) soll als Beispiel für das bisher nur lückenhafte Bild über Stoffwechselregulation dienen (10). Eine nahe liegende Frage ist, was aus den neuen Erkenntnissen durch CGM folgt. Zumindest vier Punkte lassen sich anführen:

• Ist eine Neubeurteilung der Glykämie notwendig?
• Wie groß ist die therapeutische Beeinflussung und Unterstützung?
• Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich in Bezug auf die Betreuung von Patienten
(Telemedizin etc.)?
• Lässt sich damit die künstliche Bauchspeicheldrüse realisieren?

Diese Fragen werden sich in den nächsten Jahren sicher beantwortet lassen. Möglicherweise kommt es aber auch zu einer völlig neuen Betrachtung in der Diabetologie. Die bisherige Beurteilung des therapeutischen Erfolges erfolgt aktuell nur anhand weniger (meist präprandialer) Blutzuckerwerte, gegebenenfalls aufgetretenen symptomatischen Hypoglykämien und des HbA1c-Wertes. Die auf diesen wenigen Daten, rein empirisch erreichte gute Stoffwechseleinstellung bei einer großen Anzahl von Patienten nötigt Achtung vor der Kunst des medizinischen Personals und auch der Complaince der Patienten ab. Aber durch das CGM werden vielfältige Feinheiten der glykämischen Regulation sichtbar, die sich der punktuellen Betrachtung zweifelsohne entziehen mussten.

Zum Beispiel ist die Abstimmung von Kohlenhydratresorption und Insulinwirkung nur selten optimal. Die Konsequenzen sind einerseits große postprandiale glykämische Auslenkungen, andererseits häufig postprandiale Hypoglykämien nach dem Frühstück, bedingt durch die zu lange Wirkung des Insulins.


Die an dieser vorgesehene Grafik, kann aus technischen Gründen leider nicht veröffentlicht werden


Die Bedeutung solcher Schwankungen zeigt sich besonders in dem Zusammenhang von postprandialer Hyperglykämie und kardio-vaskulären Erkrankungen, der bereits in den 90iger Jahren in verschiedenen Studien beschrieben wurde, wie der DECODE-Studie (11, 12) und der Diabetes Interventions Studie (13). Dass erhöhte postprandiale Glucoseexkursionen mit mikrovaskulären Komplikationen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes assoziiert sind zeigt die ebenfalls aus dieser Zeit stammende Kumamoto-Studie (14, 15). In-vitro Untersuchungen an Zellen, welche bei alternierenden Glukosespiegeln den höchsten oxidativen Stress und gleichzeitig die höchste Apoptoserate aufwiesen, unterstreichen die Bedeutung der glykämischen Variabilität (16, 17).

Zusätzlich gibt es Hinweise darauf, dass unphysiologisch hohe postprandiale Auslenkungen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes im Mittelpunkt einer Kaskade von diabetogenen und atherogenen Ereignissen, wie erhöhter Insulinresistenz, postprandialer Dyslipidämie, erhöhtem oxidativen Stress, Verschiebung des Gleichgewichts in der Gerinnungskaskade, endothelialer Dysfunktion usw. stehen (18-20). Dieses Problem ist wahrscheinlich auch für Patienten mit Typ-1-Diabetes relevant (21-23). Wenn möglicherweise auch aus unterschiedlichen Gründen (Typ-1-Diabetes: starke glykämische Schwankungen, Typ-2-Diabetes: Vergesellschaftung mit dem metabolischen Syndrom) gibt es in Bezug auf die kardiovaskuläre - und Gesamtmortalität keine wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Diabetestypen, wie eine prospektive finnische Untersuchung über insgesamt 18 Jahre zeigen konnte (24). Einschränkend ist allerdings festzustellen, dass prospektive, randomisierte Endpunktstudien zum eindeutigen Beleg des Zusammenhang zwischen Schwankungen in der Glykämie und mikro-/makrovaskulären Ereignissen fehlen.

Postprandiale und auch sonstige glykämische Auslenkungen werden erst durch das CGM sicher nachweisbar. Das betrifft auch inapparente Hypoglykämien. Unstabile Glukoseverläufe nach vorangegangener Hypoglykämie sind nicht ungewöhnlich. War eine Hypoglykämie symptomatisch, so wissen Therapeut und Patient die nachfolgenden glykämischen Schwankungen einzuordnen.

Diese Instabilitäten sind aber auch nach inapparenten Hypoglykämien zu beobachten, allerdings nur mittels CGM. Da auch in diesem Fall die hepatische Glukoneogenese verstärkt wird ist anschließend mit der Restauration der Glykogenspeicher zu rechnen. Das kann wiederum zu einer Folge-Hypoglykämie führen, wenn der Patient nicht ausreichend exogene Glukose über die Nahrung aufgenommen hat. Durch die vorher nicht bemerkte, leichte Hypoglykämie konnte er keine therapeutische Konsequenz ziehen, folglich die Glukoseaufnahme außerhalb einer gewünschten Nahrungsaufnahme auch nicht vornehmen. Solche mit normaler Blutzuckermessung
nicht oder nur zufällig diagnostizierten Verläufe sind offensichtlich nicht gerade selten (25). Das Potential der diagnostischen Methode CGM und dessen Bedeutung für die Diabetologie ist also bei weitem umfassender als bisher bekannt.


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Verbindung von CGM mit der Insulinpumpentharepie (CSII)

Als ein neuer Schritt ist die Verbindung der Insulinpumpentherapie mit dem kontinuierlichen Glukosemonitoring aufzufassen, der seit 2007 mit dem System „Paradigm®REAL-Time“ möglich ist. Das System beinhaltet die Insulinpumpe, an welche optional die von einem Glukosesensor ermittelten aktuellen Glukosewerte über eine Funkschnittstelle und einen kleinen Transmitter
(MiniLink) auf das Display der Pumpe übertragen werden. Diese Daten können auch in den Boluskalkulator „BolusExpert“ übernommen werden und nach entsprechender Bestätigung über eine herkömmliche Blutzuckermessung in die Berechnung eines Insulinbolus (Berücksichtigung von Glukosezielwert, tageszeitabhängiger Insulinempfindlichkeit und noch wirksamen Insulins aufgrund bisheriger Insulininfusionen) eingehen. Damit ergibt sich eine neue therapeutische Option: die „Sensorunterstützte Pumpentherapie“ (SuP).

Die Verbindung von Pumpentherapie und Glukosemontoring ist eine ideale Kombination. Weil ausschließlich kurzwirksames Insulin verwendet wird bietet die CSII von allen Formen der Insulinbehandlung die meisten Möglichkeiten einer zeitnahen Beeinflussung der Insulindosierung (Erweiterung gegenüber der Spritzentherapie: Beeinflussung der basalen Insulinversorgung,
verschiedene Bolusoptionen). Das setzt aber eine subtile Messung der glykämischen Situation voraus, welche CGM lückenlos bietet. Es ist dabei nahe liegend, dass das von dem Patienten ein hohes Maß an Wissen über die metabolische Regulation und an Complaince erfordert.

Erste Ergebnisse von Studien zeigten, dass kompetente Patienten von der SuP durch sinkende HbA1c-Werte bei gleichzeitig geringerer Hypoglykämierate und geringere Glukoseschwankungen profitieren (26, 27). Demgegenüber trat keine Verbesserung bei Patienten mit mangelhafter Complaince ein.


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Darüber hinaus ist in der Verbindung von CSII und CGM der Ansatz für die Zukunft zu sehen, nämlich das sensorgesteuerte Closed-Loop-System (Artifical Pancreas), auch wenn dieses vielleicht nicht vollautomatisch, sondern unter Verwendung von Informationen des Patienten zum Essen und zur körperlichen Aktivität funktionieren wird (Hybrid-Closed-Loop). Die Arbeiten dazu wurden in letzter Zeit deutlich intensiviert, so dass nach jahrelanger Stagnation Fortschritte zu sehen sind. Die Abschaltung der Insulinversorgung bei drohender Hypoglykämie (28, 29), die in einem marktfähigen Produkt in naher Zukunft zu erwarten ist, stellt einen wichtigen Meilenstein dazu dar.Die direkte Einbindung von CGM in die Therapie wird damit beginnen.


Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Andreas Thomas


Dr. Thomas ist promovierter und habilitierter Physiker. Nach seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der TU Dresden (Sektion Physik) bekleidete er verschiedene Funktionen bei Hoechst, Disetronic und Diareal. Seit 2006 ist er Scientific Manager bei Medtronic GmbH.


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Verfasst: So 17. Nov 2013, 11:20 


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